Mittwoch, 16. November 2011

Der verraten(d)e Vertragsarzt:

Als Vertragsarzt bin ich selbstständig, so bisher die einhellige Rechtsmeinung. Im Zuge der nun kommenden neuen Denkweise im Bereich der Politik wird dies „umgeschraubt“  und man wird wahrscheinlich zu einem Amtsträger, weniger wahrscheinlich zu einem Beauftragten. Dabei ist da doch kein Unterschied, ob man einen Kassen- oder Privatpatienten behandelt.

Einen Behandlungsvertrag gibt es immer. Der Unterschied ist doch nur, dass  die Liquidationsberechtigung gegenüber dem Kassenpatienten direkt gegenüber der gesetzlichen Kasse über die KV besteht. Der Bundesmantelvertrag sollte dabei die ärztliche Therapieunabhängigkeit garantieren, die ja immer mehr hervorgehoben wird, jedenfalls in dem der Politik genehmen Bereich. Die Realität sieht anders aus, denn von der KV wird eine Diagnose und verordnungsüberzogene Überwachung gestartet nach § 106 a Abs. 1 SGB V. Zusätzlich erhält man dann noch direkt aus den Hauptquartieren unserer Kassen wohlwollende Mitteilungen, dass bestimmte Medikamente nur sehr eingeschränkt verordnet werden dürfen oder aber die Diagnosen bei einem Patienten nicht zu der Diagnose passen unter Hinweis, man werde sonst regressieren.


So steht man dann da als Arzt mit eingeschränktem Behandlungs- und Verfügungsspektrum  und grätscht zwischen Machbarem und Notwendigem immer den Blick auf die Finanzen der Kassen, deren Verwalter ich ja nun auch bin.
Der Gesetzgeber setzt dabei die Interessen der Patienten mit denen der Krankenkasse gleich. Doch das Interesse der Patienten besteht in der Beitragsstabilität und darin gut versorgt zu werden.  Hier wird man tagtäglich massive Divergenzen zu beobachten und zu betreuen haben. Zu auffällig ist es allgemein und in meiner Praxis (siehe auch Söderzitat), dass ich bald gar nicht mehr umhinkomme einen Bürotag einzulegen, da ich sonst die Flut an Attesten meiner Patienten gegen deren Kassen gar nicht mehr bewältigen kann. Die Zeit fehlt in der Kuration, nein doch nicht, ich muss das dann an den anderen Tagen dranhängen. Zusätzlich Fortbildung, QM, Nacht und Wochenenddienste. Womit wir wieder bei Herrn Graalmann und der zu geringen Arbeitsbelastung als Kassenarzt sind. In die Versorgung meiner Patienten muss ich wöchentlich mehr als 70 Stunden investieren und habe daraus netto weniger, wie ein befreundeter Arzt beim MDK mit Nebentätigkeit arbeitend.
Dieser ständige Spagat zermürbt. Ich diene dem Patienten im Rahmen unseres Behandlungsvertrages, der Krankenkasse als Kassenwart für die 10 Euro Praxisgebühr und als  Verordner von Medikamenten und anderem.

Wäre ich Rechtsanwalt, so würde ich mich des Parteiverrates strafbar machen. Denn ich kann nicht zwei Herren dienen, deren Interessen völlig gegensätzlich sind.
Der Wortlaut des § 356 StGB ist:

(1) Ein Anwalt oder ein anderer Rechtsbeistand, welcher bei den ihm in dieser Eigenschaft anvertrauten Angelegenheiten in derselben Rechtssache beiden Parteien durch Rat oder Beistand pflichtwidrig dient, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Handelt derselbe im Einverständnis mit der Gegenpartei zum Nachteil seiner Partei, so tritt Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren ein.

Doch für den Vertragsarzt ist alles anders. Schöne neue Rechtswelt!

Dr.med. J.Blettenberg

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